Mit Vakuum festigen

01/10/2007 - 01/10/2013

Bei der Festigung von Naturstein geht es immer wieder um eine Frage: Wie transportiert man das Festigungsmittel zuverlässig in die Tiefe des Steins? Neue Perspektiven eröffnet ein Kreislauf-Unterdruckverfahren, mit dem bereits erste Erfahrungen in der Praxis gesammelt werden konnten.

von Erich Pummer

Das Thema »Steinfestigung« beschäftigt schon seit Jahrzehnten Restauratoren, Chemiker, Techniker und Naturwissenschaftler, immer mit dem Ziel vor Augen, geschwächte oder zerstörte Steinstrukturen möglichst tief reichend mit Steinfestigungsmitteln zu tränken. Die Erkenntnisse aus zahlreichen fehlgeschlagenen Konservierungen bzw. Versuchen zeigen deutlich genug, dass die oberflächlichen Behandlungen, meist mit Kieselsäureestern, bei bestimmten Gesteinen schwere Folgeschäden durch Krustenbildung provoziert haben. Restauratoren haben in der Praxis intensiv nach Auswegen und Verbesserungsmöglichkeiten gesucht und geforscht, um diesem grundsätzlichen Problem zu begegnen (siehe Kasten »Festigung mit Kieselsäureestern«). Aber auch diese Methoden konnten keine Durchdringung des Materials garantieren und haben ihre technischen und wirtschaftlichen Grenzen.

Versuche mit Unterdruck

Gute Ansätze für eine erfolgreiche In-situ-Festigung mit Unterdruck sind schon in dem patentierten Verfahren von Balfour Beatty & Co. Ltd., England (1974), zu erkennen, obwohl es nie wirklich zu einer breiten und professionellen Anwendung kam. Bewegliche Objekte wurden bei Aussparung der Bodenfläche in Latexhaut eingehüllt und in eine Wanne mit Wasser (zur Entsalzung) oder Kieselsäureester gestellt. Am höchsten Punkt wurde eine Vakuumpumpe angesetzt, um die Flüssigkeit über die in der Wanne stehende Bodenfläche aufzusaugen, bis sie am oberen Ende angelangt war. Dieser Prozess konnte lediglich in mehreren Durchgängen wiederholt werden. Da die Kontaktzeiten meist zu kurz waren, blieben tief reichende Tränkungen versagt. Einige Verbesserungen und Weiterentwicklungen an dieser Methode wurden von Giancarlo Calcagno ab 1987 (Bassano/Italien) erbracht. Aktuelle Versuche von Unterdruckfestigungen vor Ort gab es laut des Berichts Nr. 27/2007 des »Institutes für Steinkonservierung« von Ibach, Hädrich und Sobott am Heidenportal des Wetzlarer Doms. Ein weiteres Unterdruckverfahren ist die Kieselgel-Volltränkung, an deren Entwicklung Wolf Ibach arbeitet (siehe Artikel S. 36–38). Ebenso wie die Acrylharzvolltränkung wird sie im Vakuum-Druckverfahren durchgeführt. Die Objekte müssen dazu aber abbaubar und transportfähig sein.

Im Kreislauf gefestigt

Das Vakuum-Kreislauf-Festigungsverfahren (VKF) bietet die Möglichkeit, Denkmale, Steinskulpturen, Fassaden und sonstige frei stehende bzw. bewitterte Objekte (auch Holzobjekte) in situ oder demontiert zu konservieren (s. Abb. links unten). So kann einem geschädigten Objekt neues Bindemittel in ausreichender Menge zugeführt und vor allem zuverlässig in die Tiefe des Steins transportiert werden. Die Bedeutung der VKF liegt darin, dass diese Methode eine entscheidende Verlängerung der Restaurierungsintervalle sichert bzw. die Rettung als verloren eingestufter Objekte ermöglicht. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Tränkungsverfahren besteht darin, die Anwendung auch vor Ort durchführen zu können und dadurch einen mit Gefahren verbundenen Abbau des Objekts und folglich hohe Kosten zu vermeiden. Auch die Entsalzung von größeren Objekten ist mit dieser Technologie effizient möglich. All diese Fakten entsprechen den Anforderungen der Denkmalpfleger, dass geschädigtes Material mit gesundem wieder homogenisiert werden soll. Totale Durchtränkungen sind meist nicht notwendig, können aber bei transportablen Objekten bestimmter Steinvarietäten erreicht werden. Die Porosität des Steins bleibt erhalten. Damit ist die Kompatibilität mit unbehandeltem Steinmaterial sowie die Wiederholbarkeit der Vakuum-Kreislauf-Festigung auch nach Jahren möglich. Um das Problem der überlangen Reaktionszeiten bzw. das Auslaufen des Kieselsäureesters aus dem gefestigten Objekt zu vermeiden, hat die Firma Remmers aus Löningen exklusiv für diese Methode modifizierte Kieselsäureester entwickelt, die ausschließlich für diese Anwendung geeignet sind. Diese speziellen Kieselsäureester bestehen aus zwei Komponenten, die kurz vor der Anwendung gemischt werden. Dadurch können die Reaktionszeit gesteuert und die Probleme ausgeschaltet werden.

Das Funktionsprinzip

Die Anlage für die Vakuum-Kreislauf-Festigung wurde aus »Bausteinen« kompakt, aber auch flexibel konstruiert. Mithilfe eines Kleinlastwagens ist sie transportabel und kann überall in Betrieb genommen werden. Der Pufferkessel kann mit zwei »VKF-Konservatoren« gekoppelt werden, um bei Bedarf eine Menge von etwa 350 Kubikmeter Luft pro Stunde kontinuierlich evakuieren zu können. Vor jeder Anwendung sind selbstverständlich entsprechende Untersuchungen vorzunehmen wie Feuchtigkeitsgehalt, Salze, Porenradienverteilung, Bohrwiderstandsmessungen, Ultraschallmessungen etc. Bei erhöhtem Feuchtigkeitsgehalt (gesättigt) müssen die zu festigenden Objekte vorgetrocknet werden. Hier sind die gleichen Kriterien anzuwenden wie bei herkömmlichen Kieselsäureesterfestigungen. Die zu behandelnden, teils überdimensionalen Objekte (Denkmale, Skulpturen, Fassadenteile) werden z.T. in Segmente unterteilt und luftdicht in lösungsmittelresistente Folien eingeschweißt. Besonders morbide und gefährdete Stellen am Objekt (Schollen, Schuppen) müssen vor dem Anlegen der Folie stabilisiert werden (Vorfestigung mit Kieselsäureester, Hinterfüllung). Zusätzlich werden feine Details und polychromierte Oberflächen mit weichem, luft- und flüssigkeitsdurchlässigem Polyestervlies abgedeckt und tiefe Hohlräume bzw. Unterschneidungen damit hinterfüttert. Die Anschlussstellen zum Stein (z. B. Sockel, Fassadenteile) werden je nach Untergrund isoliert und mit Silikon und Klemmschienen aus Hartholz abgedichtet. Diese Abdichtungen können nach der Festigungsbehandlung rückstandsfrei wieder abgenommen werden. Anschließend wird mit dem VKF-Konservator über eine bestimmte Anordnung von Kesseln und Schlauchsystemen die im Foliensack bzw. Porenraum des Steins vorhandene Luft evakuiert, womit die Figur selbst zum Vakuumkessel wird. Bei langsamer Steigerung des Unterdrucks wird die überschüssig bemessene Folienumhüllung sorgfältig an die Oberflächen des Objektes »anmodelliert«. Bei einem erhöhten Feuchtigkeitsgehalt des Steins kann nun sofort mit der Trocknung begonnen werden. Wenn sämtliche Zulaufventile offen sind, Mediums im Kreislauf kaum mehr verringert –, wird die Mediumszufuhr gestoppt; der Unterdruck wird jedoch wird über einen vorgespannten Kältetrockner Luft durchgezogen; dies führt relativ rasch zum Absenken des Feuchtigkeitsgehalts im Stein. Sofern an dem zu festigenden Stein noch keine Kenntnisse über die Eindringgeschwindigkeit im Unterdruck vorliegen, muss dies anhand eines Musters getestet werden, um die notwendige Anwendungsdauer festlegen zu können.

Überfestigung ausgeschlossen

Zu Beginn der Anwendung wird ein Unterdruck von 150–900 Millibar aufgebaut, um die Poren und Kapillaren zu entlüften. Je nach Größe und Dichtheit der Folienkontaktstellen wird nach ein bis zwei Stunden Entlüftung über ein präzises Dosiersystem das geeignete Festigungsmittel (Kieselsäureester mit den unterschiedlichen Gelabscheidungsraten bzw. Acrylatlösungen) zugeführt, welches sich nach und nach gleichmäßig und tief reichend im Stein verteilt. Die offenporigen, rissigen und besonders geschädigten Bereiche im Stein werden zuerst durchwandert, naturgemäß langsamer oder gar nicht füllen sich die Poren und Kapillaren im dichten – gesunden – Stein. Eine Überfestigung samt möglicher Induktion von Spannungsrissen ist dadurch ausgeschlossen. Das vom Stein nicht aufgenommene Festigungsmaterial wird in die Anlage rückgesaugt; von hier gelangt es wieder in den Festigungskreislauf. Und genau das ist der entscheidende Vorteil dieser Applikationsmethode: Der Unterdruck und folglich die Kontaktzeit des Steinfestigers mit dem Stein kann unbeschränkt lange aufrechterhalten werden, ohne den Unterdruck zwischendurch unterbrechen zu müssen. Nach Abschluss der Behandlung, die drei bis zwölf Stunden dauern kann – eine relative Sättigung der geschwächten Zonen des Steins ist daran zu erkennen, dass sich die Menge des noch einige Stunden aufrechterhalten, um das Absacken der Flüssigkeit zu verhindern. Das überschüssige Festigungsmittel wird abgesaugt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt das Kreislaufsystem in sich geschlossen, folglich sind auch keine für den Anwender gesundheitsschädlichen Dämpfe und Flüssigkeiten ausgetreten. Nach der abgeschlossenen Behandlung kann an einer versteckten Stelle oder Fehlstelle ein trockener Bohrkern von 25 Millimeter Durchmesser gezogen werden, um die Eindringtiefe zu dokumentieren (sichtbare Grenze von trocken zu nass). Probekörper verschiedener Größen werden nach der Tränkung gespalten. Die Folie soll für einige Tage am Objekt belassen werden, um eine langsame, vor der Witterung geschützte Gelabscheidung des Kieselsäureester zu ermöglichen. Die völlige Reaktion des Festigungsmittels erfolgt langsam nach zwei bis drei Wochen. Damit sind auch Spannungen und Haarrisse im Stein ausgeschlossen, wie dies bei anderen Verfahren vorkommen kann. Mit der Technik der Vakuum-Kreislauf-Festigung wurden schon die Attikafiguren und Reliefs des Wiener Parlaments, die Attika des Oberen und Unteren Belvederes in Wien, die Attika im Stift Altenburg/Niederösterreich, Skulpturen und Brunnen in Rothenburg/Tauber und Bamberg, die Säule im Schloss Schönbrunn in Wien, die Kremser Dreifaltigkeitssäule/Niederösterreich sowie Epitaphe der Pfarrkirchen in Tulln und Eggenburg konserviert bzw. entsalzt.

Dateien

Fachzeitschrift für Steinmetze und Steinbildhauer, Callwey Verlag, Ausgabe 10/2007

Technologien

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