Die Mauersegler von Baku

01/01/2012 - 31/12/2012

Er hat klassische Bildhauerei gelernt, hat sich dann aber der Denkmalpflege verschrieben: Erich Pummer gründete 1982 in Rossatz/Wachau sein Atelier. 25 Mitarbeiter sind mit Restaurierungen und Konservierungsarbeiten an historisch wertvollen Bauwerken in ganz Europa tätig. Intensiv beschäftigt sich Pummer auch mit der Entwicklung neuer Reinigungs- und Restaurierungstechnologien. Sein Einsatz wurde im November 2010 belohnt: Erich Pummer erhielt in Leipzig für die Entwicklung der Vakuumkonservierungstechnik den großen Innovationspreis der Deutschen Stiftung Denkmalpflege, den Bernhard Remmers Preis. Derzeit arbeitet sein Team in Bakus Altstadt/Aserbaidschan.

Wie kam es dazu, dass Sie in Baku das Wahrzeichen, den Jungfrauenturm, restaurieren?

Dies kam durch die Fachmesse „Denkmal“ in Leipzig zustande, wo wir im Rahmen eines Kolloquiums Vorträge über Restaurierungstechniken und Konservierungsmaßnahmen vor internationalem Publikum gehalten haben. Dadurch wurde man auch in Aserbaidschan auf uns aufmerksam. Wir haben nach der überzeugenden Präsentation unserer Arbeitsweise 2010 den Auftrag zur Restaurierung der Mohammed- Moschee aus dem 11. Jhdt. erhalten und in weiterer Folge eben jenen zur Konservierung des Wahrzeichens von Baku, den Maiden Tower („Qiz Qalasi“).

Wie alt ist dieser Turm und wozu diente er?

Im Zuge der Restaurierung wird gemeinsam mit der TU Wien auch die Geschichte, das Alter sowie der ursprüngliche Zweck erforscht. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, aber es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Turm eine gewisse Schutz- und Wehrfunktion erfüllte. Beim Alter gibt es sehr divergierende Vermutungen, vom 5. Jahrhundert vor Christus bis hin zum Mittelalter wird der Bau angesiedelt. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Aber das wird durch weitere Untersuchungen sicher noch genauer festgelegt werden können. Der Turm hat heute 8 Geschoße, die über eine Wendeltreppe erschlossen werden, diese Einbauten erfolgten im 19. Jahrhundert, die Mauern sind 5 Meter dick.

Welche Arbeiten sind am Turm notwendig?

Der Turm ist aus Muschelkalkstein, der im Umland abgebaut wurde errichtet, und hat über die Jahrhunderte durch Kriege, Umwelteinflüsse und Industrieabgase großen Schaden genommen, so dass das Areal um das Bauwerk ja bereits gesperrt werden musste: Der Stein hat an Festigkeit verloren, die Baustruktur wurde durch das Verlorengehen des Fugenmaterials geschwächt. Dazu tragen unter anderem die Mauersegler bei, die zu Hunderten in den Ritzen und offenen Fugen nisten. Die Restaurierungsarbeiten, außen und innen, sind auf 3 Jahre angelegt, fertig werden wir Ende Oktober 2013. Die Kosten liegen im zweistelligen EURO Millionenbereich.

Und was machen Sie gegen oder für die Vögel?

Diese Population gibt es seit Jahrhunderten und ist fixer Bestandteil des ökologischen Systems: Die Mauersegler halten die Moskitos von der Innenstadt ab und bieten mit ihren laut kreischenden Schwärmen ein imposantes Schauspiel rund um den Turm. Durch das Nisten in den Mauerritzen und- spalten entstehen aber empfindliche Schäden am Bauwerk. Da im Zuge der Konservierung der Fassaden ein Großteil der Nistplätze verloren gehen, haben wir gemeinsam mit unserem Auftraggeber, der Altstadtverwaltung Baku „ICHERISHEHER“, ein Vogelschutzprojekt entwickelt: 500 eigens angefertigte Nistkästen wurden an einem benachbarten Gebäude angebracht und die Vögel haben diese zum Teil bereits angenommen, und im Frühsommer 2012 bereits darin genistet.

Welche weiteren Projekte restaurieren Sie?

International haben wir die Mohammed-Moschee in Baku sowie in Venedig die Portalfassade der Maria Magdalena Kirche restauriert, den Palazzo Publico von Siena mit Lasertechnik gereinigt, Projekte gab es in Kroatien und Deutschland, wie etwa im Johanniskloster in Stralsund und in Rothenburg/Tauber haben wir derzeit einige kleinere Aufträge. In Wien haben wir die Russisch-orthodoxe Kathedrale zum hl. Nikolaus restauriert und sind seit 15 Jahren am Stephansdom in Wien tätig, wo wir den albertinischen Chor und die die Westfassade mit den Heidentürmen abgeschlossen, sowie den großen Turm mit 137 m Höhe zu drei Viertel fertig haben.

Dateien

CD-Interview mit Erich Pummer, cercle diplomatic, Aserbaidschan 2012

Verwandte Projekte

Qiz Qalasi / Jungfrauenturm / Wahrzeichen, Baku, Aserbaidschan, in der Bucht des Kaspischen Meeres

2011 - 2013

Frühmittelalterlicher Rundturm, 8-geschossig, Höhe 30 m, Durchmesser 15 m, Mauerstärke 5 m, im Kern 7. Jhdt., Bautätigkeit bis in Mitte des 13. Jhdts.

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